23. Nov. 2017 Pecha Kucha Vortrag im Exil
Am Pecha Kucha Abend des Vereins Schweizer Ingenieuere und Architekten (SIA) im Zürcher «Exil» Club wurde diesmal die "Warum tue ich was ich tue?"-Frage thematisiert. Pecha Kucha heisst: 20 Bilder, für jedes 20 Sekunden Zeit. Mein Beitrag hierzu:

die frage nach dem warum kann einen ganz schön ins grübeln bringen. mein sohn stellt mir ständig die frage "warum dies, warum jenes?“ und schneller als es einem lieb ist, gerät man in eine spirale von fragen, die sich alle um den sinn und unsinn des lebens und der welt drehen.

warum sind wir auf der welt? warum gibt es die welt? Warum ist sie so wie sie ist? spiele ich eine rolle in ihr – habe ich eine aufgabe? Und wenn ja, wer hat mir die aufgabe gegeben? – und was passiert wenn ich sie nicht erfülle?

oder ist es gleichgültig was wir tun? ist nicht alles schall und rauch in anbetracht der unendlichkeit von zeit und raum? ist es nicht vermessen – oder naiv – an ein schicksal, eine aufgabe im leben zu glauben? huuu, das sind schwieeerige fragen. „"aber warum sind die schwierig?“ würde mein sohn jetzt fragen.

glücklicherweise konnte der mensch immer schon grosses vollbringen, ohne sich diese fragen zu beantworten. einfach mal anfangen, vorwärts machen, sich von seinen instinkten leiten lassen – den gefühlen freien lauf lassen – und schauen was passiert.

eigentlich wollte ich biologie, fotografie, philosophie oder psychologie studieren. doch mein vater half mir aus der qual der wahl und sagte: alles was auf –ie endet ist brotlos – warum studierst du nicht architektur? das schöne am architektenberuf ist ja gerade die vielseitigkeit, die vielzahl der wege die man danach einschlagen kann. Ich folgte seinem rat.

im architekturstudium an der eth stellte ich mir dann wieder öfter die frage nach dem "warum?". warum ich mir das eigentlich antue. sind wir nicht viel häufiger das kalb als der kutscher? steuern wirklich wir das gespann oder ist es nicht vielmehr der weg selbst der das ganze team in eine richtung zwingt?

nein, ja, beides, egal! am anfang des studiums hatte ich ein ziel, eine vision: die welt oder zumindest das klima zu retten. mit ökoarchitektur. in deutschland gab es da in den 90er jahren schon ganz grossartige ansätze – die leider alle ziemlich scheisse aussahen. ich versuchte mir eine ökoarchitektur vorzustellen, die ökologie und schweizer architekturästhetik vereint.

glücklicherweise lernte ich an der hochschule schnell, worum es in der architektur wirklich ging, warum ich architektur studierte: es geht um den raum ansich, die magie räumlicher bezüge – um die kunst aus raum und material erhabene atmosphären zu schaffen...

... es geht um licht und schatten. das spiel zwischen räumlicher und baulicher struktur. um komplexe ordnungen, deren harmonie und schönheit uns erschaudern lässt. hier der katsura palast in japan, haaa ist das schön…

ja kann architektur nicht selbst über allem erhaben sein, kosmisch, göttlich, lösgelöst von dieser welt? warum architekt sein? vielleicht um der architektur selbst willen – um durch den schöpferischen akt teil an ihrer magie zu haben?

tja und so entwarf ich auch - hier ein projekt aus meinem austauschsemester in ahmedabad in indien: sich unendlich fortsetzende strukturen aus denen sich mannigfaltige raumbezüge entwickeln. mit zartem bleichstiftschraffuren zum leben erweckt. aber in diesem projekt in indien schlich sich der gedanke an etwas ein, was mir bisher fehlte:

ja natürlich: Der mensch! der bewohner, nutzer, der nachbar, die kinder die ohne unser tun doch gar kein dach über dem kopf hätten. So würde das leben doch aussehen, ohne architektur. nackt und schutzlos. allmählich zeigte sich eine andere antwort auf die frage nach dem "warum?".

und so schrieb ich im jahr 2000 im magazin «trans» am ende eines auch für mich heute unverständlichen artikels: …(s.o.)

die „warum?“-frage schien geklärt – und wurde von der "wie?“ frage abgelöst. wie baut man, um nahe an den menschen zu sein? vielleicht so wie man, zumindest damals, selber lebte? hier ein film still aus der sitcom «the bong bang theory».

wie entwirft man gehäuse in denen mann und frau glücklich mit und nebeneinander leben können, sie selbst sein können, ganz bei sich – und ganz gemütlich raum und zeit vergessen können?

warum in der architektur nicht da anfangen, wo sie her kommt? bei der zweiten oder dritten haut des menschen. Eine hülle schaffen in der es warm und trocken ist, man gemeinsam den musen nachgehen kann – ganz ohne überflüssiges, ohne zahnbürste oder schampoo...

oder genau das gegenteil: warum keine architektur versuchen, die das unscheinbarste in den mittelpunkt rückt? räumliche angebote schaffen, in denen der mensch sich seiner menschlichkeit bewusst wird – miteinander.

warum sollte man es in der architektur nicht wie die kinder machen? warum nicht spielerischer an alles gehen, warum nicht ständig nach dem "warum nicht?“ fragen?

puhhh, ja und warum keine architektur schaffen, die genauso wechselhaft und vergänglich ist wie der mensch, die ihre relevanz nur im zusammenspiel mit den menschen hat – und ohne den menschen jede bedeutung verliert?

schliesslich eine collage einer meiner studenten an der htw chur: warum entwerfen wir nicht viel häufiger für die art zu leben von der wir selber träumen: ein leben mit sex and drugs and rock’n'roll, irgendwas mit liebe, sternen und musik, irgendwas zutiefst menschliches?
danke für eure aufmerksamkeit und damit möchte ich an die letzte petcha kutscherin übergeben.